Als Hypo-Untersucher haben Sie Erfahrung mit Großpleiten. Jetzt sind Sie mittendrin in einer. Wie sieht die finanzielle Lage der Grünen aus?
WERNER KOGLER: Wir haben als Bundes-Grüne fünf Millionen Euro Schulden. Die Gespräche mit den Banken als größten Gläubigern beginnen erst. Es gibt Szenarien für eine Vollsanierung. Dramatischer sind die nun verlorenen Einnahmen. Jetzt gibt es nur Kleinspenden, die nehmen aber zum Glück stark zu. Das reicht natürlich nicht für fünf Millionen.

Ein Großspender, wie Stefan Pierer bei der ÖVP, würde Ihnen jetzt also gerade recht kommen.
Nein, der ist uns nicht recht. Wir bleiben bei unseren Prinzipien und schauen genau, woher Spenden kommen. Wir machen uns von niemandem abhängig. Es hat sich bei mir aber auch noch kein Chemiekonzern vorgestellt, der spenden wollte.

Vor Jahren sprangen Sie in der Steiermark als Landessprecher ein, jetzt auf Bundesebene. Obwohl Sie laut Eigendefinition kein Mann für die erste Reihe sind. Warum gerade Sie?
Ich wollte nie die Nummer 1 sein, jetzt bin ich es. Also ein Scheitern im Scheitern. Ich war ja schon Stellvertreter. Ingrid Felipe hat in Tirol gute Chancen, Vize-Landeshauptfrau zu bleiben. Deswegen gab sie die Bundesverantwortung ab.

War es ein Fehler, Ingrid Felipe im Sommer nach Wien zu holen?
Nein, wir waren damals überzeugt, dass das gut ist. Auch Ulrike Lunacek war eine sehr gute Wahl. Jetzt haben wir Konsequenzen gezogen, schneller als man es den Grünen zutraut.

Im kommenden Jahr stehen Landtagswahlen in Niederösterreich, Tirol, Kärnten und Salzburg an. Wie wollen Sie da den grünen Abstieg verhindern?
Nicht zu vergessen die Bürgermeisterwahl in Innsbruck. Da hat Georg Willi die Chance, Bürgermeister zu werden. Innsbruck könnte das größte Comeback seit Lazarus werden.

Aber in Kärnten zeichnet sich ein Duell Rot gegen Blau ab. Da könnten die Grünen wieder auf der Strecke bleiben. Wie will man auf dieses Dilemma reagieren?
Wir müssen es ansprechen, das haben wir diesmal sträflich unterlassen. Ich glaube an einen Lerneffekt – bei uns und den Wählern. Dass taktische Leihstimmen dramatische Folgen für fünf Jahre haben können, war ein heilsamer Schock.

Hätte sich Ulrike Lunacek bei den letzten Auftritten hinstellen und sagen müssen, dass es ums politische Überleben geht?
Ja, ich habe vorgeschlagen zu sagen: Der Käse ist gegessen, die Türkisen haben gewonnen. Es geht darum, wer von den Kleinen hineinkommt. Überlegts euch, was ihr tut, es könnte gefährlich werden. Jeder, der grüne Stimmen im Parlament hören will, sollte Grün wählen.

Lange hat man noch von Zweistelligkeit geredet.
Ja, am Freitag vor der Wahl noch von einer Aufholjagd zu sprechen, war so gesehen unsinnig. Wir Grüne sind selber schuld.

Sie haben Stimmen an Peter Pilz verloren, aber auch an alle anderen Parteien.
Die Abspaltung von Pilz ist ein Mitgrund. Der Fehler war, dass wir das Ganze vor dem Kongress falsch einschätzten und er nicht auf den Platz gewählt wurde, den er haben wollte. Es war ja nicht die erste Panne. Unsere Ernsthaftigkeit wurde in Zweifel gezogen, weil wir öffentlich als streitende Grüne dargestellt wurden.

Ist eine Kooperation mit Peter Pilz, in einer Art CDU/CSU-Modell, möglich?
Dazu etwas zu sagen, ist zu früh. Die Liste Pilz muss schauen, dass sie im Nationalrat etwas zustande bringt. Wir werden uns außerparlamentarisch treffen.

Übernimmt Pilz Mitarbeiter? Sie mussten ja um die 100 Leute beim AMS anmelden.
Das ist allen freigestellt. Wir bemühen uns generell auch bei Jobvermittlungen.

In den letzten Tagen meldeten sich Grüne und Ex-Grüne mit Kommentaren wie „Führungsspitze hat sich abgeschottet“, „Querdenker waren nicht gefragt“, „Kritik wurde abgewiesen“.
Mit einigen Dingen kann ich mich anfreunden, mit anderen weniger. Fehler gab es schon vor dem Wahlkampf. Wir müssen uns die Frage stellen, was ausschlaggebend war, dass wir von einer 10- bis 15-Prozent-Partei auf sieben bis acht Prozent fielen. Aber hätten wir im Wahlkampf alles richtig gemacht, hätten wir immer noch sechs bis acht Prozent erreichen können. Wir müssen zeigen, dass wir brennen.

Wofür brennen die Grünen?
Es sind die ganz großen Anliegen. Das beste Beispiel – da wurde ich leider überhört – sind die deutschen Grünen, die eine ähnlich schwierige Ausgangslage hatten. Aber die kämpften sich vor allem über den „Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe“ mit allen wirtschaftlichen Chancen und dem Thema Bildung beeindruckend zurück.

Ein Vorwurf, der von vielen Ex-Wählern kommt: Die Grünen erkennen gesellschaftliche Realitäten nicht, haben keine Antworten bei der Flüchtlingskrise geliefert.
Es liegt nicht nur an uns, sondern an einer völlig hysterischen Außenwelt. Schon in den 90er-Jahren wurde den Grünen vorgeworfen, sie würden vom halben Planeten alle „Ausländer“ nach Österreich holen wollen, was ein völliger Mumpitz ist. Zu überlegen wird sein, wie wir uns gegen solche Zuschreibungen zur Wehr setzen. Kaum jemand kennt das Einwanderungs- und Migrationskonzept der Grünen. Da ist keine Rede davon, alle hereinzuholen. Aber ich bin dafür, dass wir die Fahne der Menschenrechte und das Asylrecht hochhalten.

Sind die Grünen zu langweilig geworden, viel zu verkopft, zu wenig emotional?
Ich würde nicht langweilig sagen, aber zu wenig kämpferisch. Wenn wir über Handelsbeziehungen reden, muss klar sein, warum wir dort Gefahren sehen. Unsere Aussagen sind oft zu analytisch.

Wie wird man sich künftig über Wasser halten können?
Die Ressourcen-Frage ist offen. Politisch braucht es nicht die totale Neuerfindung. Wir haben mehr Mitgliedereintritte, Spendenbereitschaft und Mitarbeitsangebote als je zuvor. Das ist ein gutes Signal. Es ist eine dramatische Krise, ein schwerer Tiefschlag. Aber es gibt noch Grüne in Landtagen, im Bundesrat und im Europaparlament. Und es ist auch sympathisch, wenn man wieder aus dem Dreck aufsteht. Projekte und Kreativität gibt es genug.

Werden Sie das eigentlich hauptberuflich machen?
Keine Ahnung, ich stürze mich hinein, um in den nächsten Tagen eine Rettungsaktion zu starten. Wenn wir jetzt abreißen, wird alles noch viel schlimmer. Es wird eine der größten Aufgaben, aber auch eine der spektakulärsten sein. Wenn die Grünen wieder einziehen – auf diesen Moment freue ich mich schon.